Anfang der 80er Jahre bestand kein Grund, ein eigenes Modular-System zu konstruieren. Obwohl der Nachbau eines bestehenden Systems kein Problem gewesen wäre. Das zeigte sich allein schon an den vielen Kopien, welche angeboten wurden. Trotzdem wollten wir ein eigenes System entwickeln, wobei wir uns zwei Prämissen gesetzt hatten:
- Es sollte ein einfacher Synthesizer sein, welcher im Gegensatz zu den damalig erhältlichen Instrumenten auch bezahlbar wäre.
- Die Verfügbarkeit der Bauelemente (Nicht das es keine eigenen Chips gab, aber eben nicht alle und die Originale war oftmals sehr teuer).
Durch das Studium in Berlin, entstanden sehr schnell gute Kontakte zu anderen Entwicklern im Synthesizer-Bereich. Der erste „kleine“ Synthesizer wurde entwickelt: Der VCS 2. Nicht in Anlehnung an EMS, sondern für Spannungssteuerung (Voltage Controlled) und für die Anzahl der VCO’s. Parallel dazu entstanden ein Digital-Delay und ein digitaler Verstärker.
Die Wende kam 1984: Alles wurde digital und was digital war, war cool. Die Digitaltechnik kam in die Synthese und DX7 und D50 definierten die Sounds der Zeit. Keiner Wollte mehr analoge Systeme. Ohne weiter nachzudenken, verschwand der Wunsch nach analogen Teilen und die neuen Ziele hießen D50, DX7 oder Mirage. Doch nach einigen Jahren erkannten immer mehr, dass nicht alles so toll war, was man da hörte. Die Sounds ähnelten sich immer mehr, Sampling wurde bezahlbar und damit zum Werkzeug der Wahl für alle, die schon immer kein Interesse an den Grundlagen der Synthese hatten. Langsam kam eine Ahnung auf, dass da irgendetwas nicht stimmte. Bands, die die Elektronik-Klassiker der alten Schule waren, spielten immer noch, aber mit langweiligen Sounds. Die vielgepriesene Dynamik verschwand und Klangflächen waren selten zu hören. Die alten Stücke wurden gespielt, teilweise Note für Note, aber irgendwas klang nicht mehr richtig. Die erste Erklärung war für uns die immer schlechter werdende Qualifikation der Toningenieure. Eine unumstrittene Tatsache. Aber der eigentliche Grund war das fehlende Interesse an der Technik und so blieb nur das Anhören der alten Stücke.
Dann kam der entscheidende Moment: Ein Bekannter wollte einen neuen Synthesizer haben. Wollte sich aber von dem alten Teil nicht trennen. Wegwerfen war ihm zu schade, obwohl man mit dem „Ding“ immer nur einen Ton spielen konnte – ein Korg MS 20. Also bekam er im Gegenzug einen Keyboard-Ständer und ich stellte das „Ding“ in die Ecke. Das wiederholte sich noch ein-, zweimal mit anderen Kollegen und neben dem Korg MS20 lag nun noch ein altes Hohner String-Melody II, ein Moog Prodigy und ein Korg MS10. Alles nur in der Ecke, als „Dekokram“. Aus reiner Langeweile haben wir dann das Zeug angeschlossen. Natürlich stielecht, mit altem Dynacord Powermixer, Bandecho und Federhall. Außerdem war noch ein alter Matrixflanger von Elektroharmonix dabei. Bei der ganzen Sache hatten wir nur eine Motivation: Den jungen Leuten mal zu zeigen, wie schlecht das alte Zeug so klingt und wie schick doch all die neuen Keyboards sind. Der Unterschied war aber viel schlimmer als wir erwartet hatten: Was nicht klang, war das neue Zeug. Plötzlich war alles wieder da, was aus den neuen Sounds verschwunden war. Zehn Sounds übereinander, alles durchs Bandecho und jeder einzelne Sound war zu hören. Dynamik und Durchsetzungskraft war plötzlich kein Problem mehr, sie waren einfach da, egal was man mit den Sounds auch machte. Mit einer Ausnahme: Schickt man das ganze in einen Sampler, war Schluss mit der Dynamik und Durchsichtigkeit.
Genau zu dieser Zeit begann mein Bruder zu „basteln“. Er hatte sich so ein „Quietsche-Modul“ gekauft und wollte sich noch ein oder zwei dazu bauen. Das ging (erwartungsgemäß) voll in die Hose. Seine Kenntnisse reichten gerade so weit, einen Transistor von einer Lötöse zu unterscheiden (übrigens derselbe Kerl, der heute PPG, Moog und Oberheim repariert – siehe Synthesizer-Werkstatt). Also haben wir die Teile zum Spielen gebracht, was bei meinem Bruder eine bizarre Fantasie entstehen ließ. Er erinnerte sich an den damaligen VCS 2 und wollte die Baugruppen nun als Module nachbauen. Aus Aufnahmen wusste er, dass der VCS 2 besser klang als das, was er sich da gekauft hatte und auch noch mehr konnte. Anfangs war das Interesse nicht besonders groß daran, obwohl uns die alten Sounds faszinierten. Elektronikentwicklung war etwas, womit wir eigentlich abgeschlossen hatten und außerdem waren zu den Korg– und Moog-Teilen mittlerweile noch mehr dazugekommen. Wozu also selber bauen, wir hatten ja die Originale. Aber mein Bruder wollte trotzdem weiter-„fummeln“. Nach einem halben Jahr hatte er die Hauptplatine eines polyphonen Synthesizers mit MIDI-Schnittstelle, A/D- und D/A-Wandler und eigenem Betriebssystem (incl. Grafik-Display). Und das Teil funktionierte auch noch so wie vorgesehen. Das war der Anfang zu einem transportablen, mehrstimmigen Synthesizer. Dieses Gerät sollte, neben einigen neuen Ideen, wie beispielsweise der absoluten Diebstahlsicherheit oder multi-ebenen Bedienoberfläche, welche das Instrument nach Anwenderqualifikation strukturiert, auch einige neue signalerzeugende und verarbeitende Einheiten besitzen. Dazu gehörte eine umfangreiche Modulationsmatrix mit 255 Quellen und 255 Zielen, welche mit 50 MHz analog gesampelt werden sollte und an jedem Kreuzpunkt einen dynamisch steuerbaren Abschwächer mit 8 Bit Auflösung vorweisen kann. Die Ergebnisse waren jedoch bald sehr ernüchternd. Es zeigte sich immer mehr, dass es zwar kein Problem darstellte, beispielsweise einen achtstimmig, polyphonen, analogen Synthesizer mit vier Oszillatoren, drei Filtern, sechs Hüllkurven und ausgeweiteten Modulations-Möglichkeiten zu bauen, jedoch nicht so, wie wir es wollten. Das Gerät wurde entweder viel zu groß und schwer oder wir konnten doch nur einen von vielen bereits existierenden Synthesizern bauen.
So ließen wir die Idee erst mal ruhen. Danach begannen wir uns auf der einen Seite intensiv mit Prozessortechnik und Konstruktion zu beschäftigen und andererseits mit Schaltungs-Entwicklung und Analyse. Dabei haben wir den Bereich der Analyse im Laufe der letzten Jahre stark ausgeweitet und uns neben der Analyse der alten Geräte und Instrumente intensiv mit Wahrnehmungsgrenzen, Psychoakustik und veränderlichen Hörgewohnheiten beschäftigt. Während wir am Anfang wissen wollten, warum etwas so klingt wie es klingt, interessierte uns nun viel mehr, was es ist, das wir mit „klingen“ bezeichnen. Dabei interessieren uns auch die Bedingungen und Parameter mit denen wir uns dem nähern müssen, was wir als das Thema ansehen, in dem sich die Komponenten befinden, welche man als den Klang bezeichnen kann. Hierbei offenbaren sich die gleichen Herausforderungen wie wir sie schon von klassischen Instrumenten, wie z. B. der Violine, kennen. Bei der Konstruktion der Module sind die größten Anforderungen das Platzproblem und ein sehr hoher Stromverbrauch. Da wir Bauelemente benötigen, welche nicht in SMD gefertigt werden und einige Hochgeschwindigkeits-OPV’s einen erheblichen Stromverbrauch aufweisen, lag die einzig logische Lösung in dem Verfahren, die einzelnen Baugruppen zu trennen. Von dieser Erkenntnis ausgehend entstand sehr schnell die Idee, ein Modular-System zu entwerfen. Der Kreis hat sich geschlossen und das, was am Anfang stand, ist die aktuelle Arbeit – ein Modular-System. Dabei stellt das derzeitige System ein Ergebnis dar, welches aus unserer Sicht der Anfang des Machbarenist und viele Optionen bietet, die noch zu realisieren sind.
Steffen Marienberg Andreas Michel ( Synthesizer-Magazin )