Der Ringsensor. Ein neuer Controller?

In der klassischen (europäischen) Musik spielt die Violine (auch Geige) eine herausragende Rolle. Viele große Komponisten, wie Bach, Stravinsky oder Brahms, haben eigens Konzerte für die Violine geschaffen.

 

Wir kamen auf die Idee, die spielerischen Möglichkeiten der Violine auch einem Keyboarder zugänglich zu machen.

Beim Geigenspiel kann durch leichtes Hin- und Herrollen des Fingers oder die Bewegung des Handgelenkes bzw. des gesamten Armes ein Vibrato erzeugt werden, d. h. die Hände bleiben immer beim Spiel mit der Violine, es findet keine Unterbrechung statt.

Beim Keyboard erfordert das Vibrato ein Drehen am Modulationsrad (Mod-Wheel) oder eine Bewegung mit dem Joystick. Dazu muss immer eine Hand von der Tastatur genommen werden, das Spiel wird unterbrochen.


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Technischer Aufbau und Funktionsweise

Unser Controller besteht im wesentlichen aus zwei Komponenten: Dem eigentlichen Sensor und einem Wandler. Der Sensor befindet sich in einer Art Ring, welcher bevorzugt am Ring- oder Mittelfinger getragen wird. Er erfasst die Winkelhaltung der Hand sowie deren Beschleunigung. Dabei ist es technisch möglich, die Winkel zweidimensional und die Beschleunigung sogar dreidimensional zu erfassen.

Die Grundempfindlichkeit der Beschleunigungsmessung wird auf maximal eingestellt, kann aber bei der Fertigung in vier verschiedenen Stufen justiert werden. Gröbere Einstellungen machen aber nur Sinn, wenn die Körperbewegungen kräftiger sind, also z. B. beim Sport. Versuche mit mehrdimensionaler Winkelerfassung der Handbewegungen haben aber gezeigt, dass es für die Keyboard-Steuerung nicht besonders sinnvoll ist, mehr als die Horizontalbewegung der Hand zu erfassen.

Die so ermittelten Werte werden mittels Kabel an einen A/D-Wandler übertragen, der seine Daten an einen Prozessor schickt, der wiederum dann daraus entsprechende MIDI-Signale erzeugt. Außerdem kann der Wandler noch die vom Sensor kommenden Analogsignale aufbereiten und in eine Gleichspannung umsetzen, die im Bereich 0V bis 10V liegt und der Steuerung analoger Systeme dient.

Am Wandler befinden sich neben der 6,3mm Klinkenbuchse, zur Verbindung mit dem Sensor, noch zwei weitere Buchsen für den Anschluss von zwei Fußtastern (Sensor an/aus und Sensorjustierung), sowie eine MIDI-Out-Buchse. Bei Fehlen der Fußtaster übernehmen zwei Taster diese Funktion. Ferner ist die Steuerspannung über eine 6,3mm Klinkenbuchse abgreifbar.

Ein Regler (Poti) kann den Bereich der Steuerspannung für verschiedene Synthesizer-Systeme anpassen. Zur genauen Justage des Sensors (nur bei Verwendung des analogen Ausgangs) befinden sich noch drei LED’s auf der Frontplatte.

Der ursprüngliche Auftraggeber hatte bestimmte Prämissen vorgegeben. Dabei war die Hauptanfordrung: Keine Infrarot- oder Ultraschallfeld-Auswertung. Das vom Controller zu steuernde Gerät sollte unter anderem von der Haltung der Hand, also vom Winkel, in dem die Hand ausgerichtet ist, direkt beeinflusst werden. Bei dieser Messung des Winkels der Hand kam uns dann die Idee, auch die Beschleunigungswerte zu erfassen und auszuwerten.

Zu diesem Zeitpunkt der Entwicklung des Controllers zeichnete sich aber schon ab, dass es mit dem Auftraggeber zu keiner Zusammenarbeit kommen würde. Also suchten wir nach anderen Anwendungsbereichen für den Controller. Eine erste Anwendung ergab sich mit der Steuerung von Spezial-Licht-Effekten.


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Controller im Wandel

Die Daten der Handposition und der Bewegung wurden in DMX-Signale (Datenformat im Bereich der Lichtsteuerung) gewandelt, welche einzelne Parameter eines Show-Lasers wie PAN oder TILT (Rechts-Links / Vor-Zurück) steuerten. Eine MIDI-Tastatur aktivierte dabei die Show-Programme des Lasers. Die Hand trug den Sensor-Ring und stellte auch die Programme ein. Die linke Hand blieb dabei frei.

Uns kam dann die Idee, die analogen Steuerungswerte auf den Pitch-Eingang eines analogen Synthesizers zu legen. So war es möglich mit der rechten Hand eine Melodie zu spielen und sie ähnlich wie mit Aftertouch zu modulieren. Der große Unterschied bestand nun darin, dass wir nicht nur intuitiv ein Vibrato erzeugen konnten, sondern zum ersten Mal direkten Einfluss sowohl auf die Intensität als auch auf die Modulationsfrequenz hatten, äquivalent einem Gitarristen oder Geiger.

Ein weiterer interessanter Effekt besteht in einer Art zufälligem Mikrotuning. Ist der Einfluss des Sensors auf einen Minimalwert eingestellt, entstehen beim Spielen durch die notenabhängige Geschwindigkeit der Hand geringe Beschleunigungswerte, welche im Transientenbereich geringe kurzzeitige Tonhöhenschwankungen auslösen. Damit wirken beispielsweise Soli wesentlicher lebendiger.


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MIDI

Nachdem das Ganze mit analoger Steuerung gut funktionierte, entwarfen wir einen Konverter, der mit Hilfe eines Prozessors die Steuersignale in MIDI-Befehle umwandelt. Dieser setzt die Daten des Ring-Sensors in MIDI-Signale um und sendet sie auf einem einstellbaren MIDI-Kanal. Mit den weiter oben beschriebenen Tastern ist der Sensor zu aktivieren bzw. auf Null zu setzen.

Beim Anlegen des Ringes ist auf keine Justierung zu achten. Ursprünglich war (im Funktionsmuster) auch ein Integrationswert (eine Art Dämpfungswert) einstellbar, mit welchem z. B. zu schnelle Handbewegungen eliminiert werden können. Tests haben aber gezeigt, dass dieser Parameter so gut wie nie genutzt wird.


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Praxis

Jeder, der bisher unseren Sensor ausprobiert hat, bestätigte, dass eine völlig neue Art des Spielens möglich sei, vor allem bei Solostimmen.

Einziger Wermutstropfen ist die Verbindung zwischen Sensor und Wandler, der nicht drahtlos ist, was aber in der Praxis kaum stört.

Prinzipiell lassen sich alle Parameter auf den Sensor legen, doch bei zwei- bis dreidimensionaler Parametererfassung ist die Steuerung der Tonhöhe für Vibratos der dominierende Einsatzbereich.

Eine andere Idee ist, die Auslesegeschwindigkeit von Samples über den Sensor zu steuern. Das kling, als wenn man mit einer Schallplatte scratchen würde, denn die Bewegung der Hand ist identisch zur Bewegung am Plattenteller.

Auch haben Tests mit der Steuerung der Strahler-Position von Moving Head’s (beweglicher Strahler in der Bühnentechnik) über eine zweidimensionale Erfassung des Handwinkels sehr interessante Ergebnisse gebracht.

Für uns muss es aber in erster Linie klingen und nicht leuchten.

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